10 Tage Stille

Nicht reden, nicht schreiben, nicht lesen. Kein Kontakt zur Außenwelt. Keine Ablenkung. Meine (bisher) größte Challenge.

Das war vielleicht eins der härtesten Dinge, die ich in meinem Leben gemacht habe.

10 Tage Stille. Nicht reden, nicht schreiben, nicht lesen. Kein Kontakt zur Außenwelt. Keine Ablenkung. Nur ich und meine Gedanken.

Aber zurück zum Anfang. Als ich das erste Mal von Vipassana gehört habe, war mir sofort klar: Das will ich auch irgendwann mal machen. Ich mag Challenges – und das klang nach einer ziemlich guten. Außerdem kann es ja nicht schaden, mich mal ein bisschen mit meinen eigenen Gedanken zu beschäftigen. Ich meine, wie schwer kann das schon sein?

Disclaimer vorweg: Das hier sind meine persönlichen Erfahrungen. Jeder hat einen anderen Background und macht in der Zeit andere Dinge durch. Also bitte vergleicht das nicht und nutzt es auch nicht als Maßstab.

Die ersten Tage sind die schwersten. Zumindest hab ich das vorher immer wieder gehört. Ich weiß, ich hab euch grade gesagt ihr sollt euch nicht vergleichen. Aber hab ich natürlich trotzdem gemacht. Ich bin also mit der Erwartung reingegangen, dass ich die ersten 3 Tage irgendwie überstehen muss.

Nur waren die gar kein Problem. Ich war froh endlich mal wieder Zeit für mich zu haben. Fand es schön in der Natur zu sein. Hab die Ruhe genossen.

Auch die ersten Meditationen sind mir leicht gefallen. Zuerst sollten wir anfangen unsere Nase zu beobachten. Wie die Luft beim Atmen die Nasenwände berührt. Versucht da mal kurz drauf zu achten. Ich hab das direkt super stark gespürt. Irgendwie verrückt, dass ich das vorher noch nie wahrgenommen habe.

Dann ging es weiter mit anderen Regungen. Also alles, was nicht durch den Atem beeinflusst wird. Auch kurz interessant, aber an Tag 2 und 3 änderte sich die Aufgabe kaum. Weiterhin nur die Nase beobachten. Ich sag mal so – ganz so spannend ist das dann auch wieder nicht. So langsam fing ich an zu verstehen, warum die ersten Tage die härtesten sein sollen. Meine Gedanken begannen an immer mehr abzuschweifen. Den Fokus zu halten wurde nicht einfacher, sondern eher schwerer. Trotzdem ging es mir im Großen und Ganzen weiterhin gut.

An Tag 4 dachte ich mir: Das soll jetzt das Schlimmste gewesen sein? Vielleicht mach ich irgendwas falsch. In der darauffolgenden Nacht konnte ich nicht schlafen.

Meine Gedanken drehten sich. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich wirklich gar keinen Kontakt zur Außenwelt habe. Was wenn irgendwas passiert? Es wissen zwar alle, wo ich bin und rein theoretisch kann man das Vipassana Center natürlich im Notfall erreichen. Aber funktioniert das auch wirklich? Was, wenn da niemand rangeht? Was, wenn es zu lange dauert mich so zu kontaktieren? Was, wenn alle tot sind, wenn ich in einer Woche hier raus komme? Ich hab mich immer weiter in diese Gedanken reingesteigert. Wusste, dass das natürlich vollkommen irrational ist. Aber konnte nicht aufhören. War hellwach. Die Ängste wurden immer schlimmer.

Irgendwann hab ich es geschafft mich zu beruhigen. Blick auf die Uhr: Halb zwei. Um 4 Uhr wurden wir wieder geweckt.

Die Meditations-Sessions sind immer mit einem Gong angekündigt worden. Das Wecken fand jeden Morgen um 4 Uhr mit einer kleinen Glocke statt. Von 4:30 bis 6:30 Uhr war dann die erste Meditation. Hier hatten wir die Wahl, in die Meditationshalle zu gehen oder auf unserem eigenen Zimmer zu bleiben. Die ersten Tage bin ich immer in die Halle gegangen, weil ich so früh am Morgen sowieso schon stark mit meiner Müdigkeit zu kämpfen hatte und wusste, dass ich, wenn ich auf meinem Zimmer bleibe, gar keine Chance habe das durchzustehen. An Tag 5 beschloss ich das erste Mal mir das nicht mehr anzutun. Niemand weiß, ob ich wirklich meditiere, wenn ich auf meinem Zimmer bin. Ich hab das Licht angemacht und einfach weiter geschlafen. Morgen steh ich wieder auf. Aber heute nicht. Dachte ich mir von da an jeden Tag.

Ab jetzt wurde es jeden Tag schlimmer. Die Tage wurden länger. Die Zeit verging einfach nicht mehr. Ich kannte mittlerweile jede Ecke von dem kleinen Gebiet in dem wir uns bewegen durften. Bin jeden Weg schon mindestens 100x gelaufen. So langsam gab es wirklich nichts mehr, womit ich mich ablenken konnte. Keinen neuen Input mehr von außen.

Auch meine Gedanken fingen an mich zu langweilen – oder besser gesagt zu nerven. Immer wieder die gleichen Szenarien. Dabei soll ich doch eigentlich gar nicht denken. Soll hier sein, in diesem Moment. Nur meinen Körper spüren.

Ich denke nicht viel über die Vergangenheit nach, aber lebe dauerhaft in der Zukunft. Mein Leben lässt keine langfristigen Pläne zu, aber ich weiß was ich in den nächsten Monaten machen werde. Also spiele ich diese Szenarien immer wieder durch. Was passieren könnte. Was für Gespräche ich führen könnte. Wie ich mit welcher Situation umgehen würde. Komplett sinnlos, weil ich weiß ja sowieso nicht was genau passieren wird. Und will das auch gar nicht wissen. Will das Leben so leben, wie es halt kommt.

Mittlerweile hatten wir die richtige Vipassana Meditation gelernt. Das heißt wir sollten nicht mehr nur unsere Nase beobachten, sondern einen kompletten Body Scan machen. Am Kopf anfangen und dann jedes Körperteil einzeln beobachten. Von oben nach unten, von unten nach oben. Und wieder von vorne.

Es gab Sessions, da lief das richtig gut. Ich hab elektrische Schwingungen in meinem ganzen Körper gefühlt und bin danach wie high aus der Meditationshalle raus gekommen. Dann gab es aber auch die anderen Momente, in denen ich es nicht einmal geschafft habe bei meinen Füßen anzukommen. Immer wieder den Fokus verloren. Immer wieder in Gedanken versunken. Und diese wurden nicht weniger, sondern von Tag zu Tag mehr.

Es gibt keine gute oder schlechte Meditation. Der ganze Sinn hinter Vipassana ist, dass man lernt nicht emotional auf äußere Faktoren und Gefühle zu reagieren. Beobachten. Wahrnehmen. Loslassen.

Ist nur einfacher gesagt als getan. Ich hatte das Gefühl keine Fortschritte zu machen. Wurde mit jeder Meditation frustrierter und hinterfragte immer mehr, warum ich mir das eigentlich alles antue. Ich könnte grad so eine gute Zeit in Kapstadt haben, aber lass mich freiwillig 10 Tage in einem Gefängnis einsperren? Was hab ich mir bitte dabei gedacht?

An Tag 7 lag ich dann hauptsächlich auf dem Boden meines Zimmers und starrte die Decke an. Die Deckenplatten waren mit kleinen Schrauben befestigt. 32 Stück. Meine Motivation war auf dem absoluten Tiefpunkt.

Aufgeben war trotzdem nie eine Option. Ich hab mich dafür gehasst, dass ich mir das antue. Dass ich dachte, das wär eine gute Idee. Aber trotzdem hab ich nicht einmal darüber nachgedacht abzubrechen. Wenn ich etwas anfangen, dann ziehe es es auch durch.

Am Ende von Tag 7 haben wir erfahren, dass die Schweigepflicht bereits am 10. Tag aufgehoben wird. Also nur noch 2 Tage durchhalten. Plötzlich war das gar nicht mehr viel. Das Ziel war so nah.

Die letzten beiden Tage konnte ich wieder genießen. Die Aussicht auf das Ende hat mich durchgetragen. Ich war aber auch wieder fokussierter bei den Meditationen. Hab die Ruhe plötzlich wieder genossen. Alles wieder viel bewusster wahrgenommen.

Und plötzlich war es vorbei. An Tag 10 erwartete uns ein großes Schild vor der Meditationshalle: Die Schweigepflicht ist aufgehoben.

Direkt wurde es laut. 100 Leute, die alle das Bedürfnis hatten sich endlich wieder auszutauschen. Ich war erstmal komplett überfordert. Dann kam die Freude. Dann wieder Überforderung.

Dieses Gefühl sollte noch ein paar Tage anhalten. Alles war intensiver. Gerüche, Geschmäcker, Geräusche. Extrem faszinierend und gleichzeitig echt anstrengend.

Und jetzt?

Mit ein bisschen Abstand bin ich extrem froh über diese Erfahrung.

Ich hab Klarheit über meine Ziele und Bedürfnisse. Weiß wieder, was wirklich wichtig ist. Und was nicht. Ich nehme meinen Körper viel intensiver wahr, kann besser Grenzen ziehen, bin mehr bei mir. Die Natur gibt mir extrem viel Kraft. Äußere Umstände stressen mich weniger. Ich bin fokussierter. Produktiver. Ich fühl mich glücklicher.

Hab festgestellt, wie sehr ich mein Leben liebe.

Ich habe nach dem Vipassana so viele Fragen bekommen, dass dieser Newsletter wahrscheinlich ein Buch werden würde, wenn ich jetzt versuche, die hier alle zu beantworten. Deshalb wird es am Mittwoch noch ein Q&A dazu auf meinem YouTube Kanal geben. Wie die Tage abliefen, wie das Essen war, was es gekostet hat, ob wir wirklich nicht gesprochen haben und so weiter. Wenn ihr den Kanal abonniert, verpasst ihr es nicht (und macht mir eine Freude).

Für alle, die sich den Spaß jetzt auch antun wollen: Vipassana Center gibt es auf der ganzen Welt. Hier findet ihr eine Übersicht der kommenden Kurse.

Für alle, die eigentlich für Business Insights hier sind: Der nächste Newsletter kommt wieder im normalen Format. Versprochen. 🫶🏻

Life is for the living.

Hat eine Freundin nach den 10 Tagen gesagt. Fühl ich sehr.

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